Das St. Galler Konzept Integriertes Management – Ein Meilenstein der Synthese zu einem systemischen Totalmodell
Um bei der Entwicklung der Managementlehre einen Schritt weiter nach vorn zu wagen, galt es eine Reihe von Entwicklungen, die sich in Theorie und Praxis vollzogen, aufzugreifen und in ein gesamthaftes Konzept umzusetzen, dass zugleich Orientierung und Wegweisung verspricht Die wesentlichen Entwicklungslinien, die es zu verarbeiten galt, waren:
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Die aus einer Tendenz zur fortschreitenden Arbeitsteilung und Spezialisierung der bisherigen Managementansätze erwachsende Sinnentleerung in der Arbeit und die massiven Anstrengungen und Kosten zur Koordination der arbeitsteiligen Strukturen von Unternehmungen zu überwinden.
In der Folge musste nach Möglichkeiten gesucht werden, vermehrt Sinnbezüge und Orientierung durch das Management herzustellen: Dies wurde durch die Notwendigkeit der Erarbeitung einer gemeinsamen Vision als Zukunftsvorstellungen des zu Erreichenden in Wirtschaft und Gesellschaft und ihrer kommunikativen Umsetzung in Leitbildern für das Handeln gefunden. Aus ihnen leiten sich konkrete Missionen für die Mitarbeiter ab, die in sich sinnvolle erstrebenswerte End- und Teilziele umfassen, die als Grundlage für die Motivation zum Leistungsbeitrag gesehen werden. Damit wurde gleichsam das Fundament erarbeitet, auf dem alle weiteren Ansätze des Management zu fußen haben, die sich mit den Fragen der Strategiefindung, der Organisationsgestaltung und des operativen Vollzuges im sach-rationalen wie im sozio-emotionalen Miteinander bei der Zielfindung und -erreichung ergeben. Dies ist nichts anderes als ein geforderter Fortschritt von der einzelfallspezifischen Koordination zur umfasssenden Integration von Tatbeständen, Aktionen und menschlichen Verhaltensweisen. Da dieser Weg von der Koordination zur wechselbezüglichen Integration als derart wesentlich für die Konzeptbildung erkannt wurde, ging in die tragende Bezeichnung als „Konzept INTEGRIERTES Management” ein.
Ein Managementkonzept sollte die Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft aufgreifen und in seiner Orientierungsfunktion für die Handelnden berücksichtigen.
Wie in den Bänden dieser Schriftenreihe dargestellt, beruhen die heute gängigen Modellansätze des Managements zumeist auf Erfahrungen, die im Kontext der Industriegesellschaft gesammelt wurden und nunmehr als Prinzipien „erfolgreichen Managements“ weitervermittelt werden. Damit stellt sich die Frage, ob diese beim Übergang in einen veränderten Zyklus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung noch für sich Gültigkeit beanspruchen können. Diese wird aktuell unter Beachtung der veränderten Prämissen, die sich durch die Globalisierung der Wirtschaft, aber vor allem durch den Übergang vom sekundären Wirtschaftssektor der Industriegesellschaft zum tertiären und quartären Sektor einer dienstleistungs-orientierten Wissensgesellschaft einstellt, bekräftigt. Ein zukunftführendes Managementkonzept muss, um nicht kontextgebunden obsolet zu werden, sich als offen für Veränderungen im Kontexterweisen und vor allem auch Hinweise enthalten, welche Bedeutung ein Paradigmawechsel für die Gestaltung des Managements und seine Lenkung des Geschehens mit sich bringt. In diesem Zusammenhang mag es interessant erscheinen, wie viele andere Managementmodelle auf einen bestimmen – und leider nie definierten – Kontext aufbauen, der zeitbezogen selbst einem Lebenszyklus unterliegt.
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Damit ist zugleich ein dritter Aspekt angesprochen, der nicht nur ein Managementmodell kontextual relativiert, sondern selbst zum Gegenstand einer Konzeptausformung werden sollte: Die Abhängigkeit der Gestaltungs- und Entwicklungshinweise des Konzepts von der jeweiligen Entwicklungsphase einer Unternehmung oder eines ihrer Bereiche von ihrer unterschiedlich verarbeiteten Vergangenheit und ihrer perzipierten Zukunft.
Erst über den Einbezug dieser Klärung von Voraussetzungen und Möglichkeiten der Gestaltung und Entwicklung kann es zu operationalen Handlungsanweisungen und ihrer Erklärung im Modell kommen. Daher liegt dem Konzept zur Vereinfachung eine Entwicklungslinie von empirisch nachvollziehbaren Veränderungen von Unternehmungen und ihren Bereichen zugrunde, die dem Lebenszyklusgedanken folgen und somit nach einer Erkenntnis des jeweiligen Entwicklungsstandes kontextual und situativ gebunden konkrete Handlungsalternativen aufzeigen lassen. So ist in das Konzept nicht nur der Aspekt der Integration und ihrer paradigmatischen Bindung eingefügt, sondern auch der Bezug zur Dynamik der Entwicklung („Corporate Dynamics“), die eine Dynamik der Anpasssung zum Überleben der Unternehmung („Management of Change“) benötigt. Dies kann getragen vom sozialen System einer Unternehmung durch ein sog. „organisationales Lernen“ erfolgen.
Ein Managementmodell kann auf der dargestellten Stufe der Erfüllung der bereits dargestellten Anforderungen stehen bleiben und wäre damit durchaus als Orientierungshilfe brauchbar. Letztlich solle es sich jedoch, um seine Wirksamkeit auf der Handlungsebene voll entfalten zu können, auch mit den Möglichkeiten und Verfahren der praktischen Um- und Anwendung befassen.
St. Galler Management-Konzept
Dies ist im St. Galler Management-Konzept in seinem Verständnis als Gestaltungs- und nicht nur als Beschreibungsmodelldurch einen Verfahrensweg des Umgangs mit zu ermittelnden Profilen der verschiedenen Kategorien normativen, strategischen und operativen Prägungen einzelner Dimensionen im Ist- und Sollzustand einer Unternehmung oder ihrer Teilbereiche möglich. Werden zunächst die Ist-Profile in vorgegebenen Kategorien der jeweiligen Managementdimension ermittelt, folgt sodann eine Profilierung der als zweckmässig erkannten Soll-Prägungen der verschiedenen Dimensionen. Um Vergleich von Soll und Ist werden dann sehr schnell wesentliche Diskrepanzen deutlich, die zu einer Diskussion von zu ergreifenden Massnahmen führen. Diese sind keine Ergebnisse des Nachdenkens Einzelner, sondern sie führen gruppendynamisch zu einem Konsens über die Einschätzung der gegebenen Lage und durch die Herausforderungen, die durch das im Soll zum Ausdruck kommende, zu gestaltende Neue und schliesslich über die zu ergreifenden Massnahmen zur Veränderung der Lage. In diesem Gruppenprozess spiegelt sich die Perzeption der Lage, der wahrgenommenen Notwendigkeiten zur Gestaltung des Neuen und die Erfahrung mit Lösungen bei der Suche nach korrigierenden Massnahmen. Hier ist keine einseitige Überzeugungsarbeit durch Vorgesetzte zu leisten – wie gehabt – sondern das Ergebnis eines recht analytisch aufgebauten Konsensprozesses durch die Leitung zu sanktionieren. Neben dem Sachprozess mit starken sozio-emotionalen Elementen ein Weg zu höherer Motivation über Partizipationseffekte, ein Beitrag zur Sinnfindung und insgesamt ein Lernprozess für alle Beteiligten, der eine Unternehmung im Spannungsverhältnis von Sach-Rationalität und Sozio-Emotionalität fortschrittsfähig macht.
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Das Ergebnis: Konzept Integriertes Management
Daraus entstand das Werk “Konzept Integriertes Management“, welches von Prof. Dr. Dres. h.c. Knut Bleicher, ehemaliger Professor der staatlichen Universität St.Gallen, auf der Grundlage der Werke von Prof. Dr. Dres. h.c. Hans Ulrich – massgeblich geprägt und entwickelt wurde. Dieses St. Galler Management-Konzept ist heute zu einem Standard der modernen Management-Lehre geworden.
Mit diesem Werk wird dem Manager, der Managerin eine Denklandkarte und Steuerungshilfe zur Verfügung gestellt, welche gerade den heutigen, hochkomplexen, globalen Anforderungen an Unternehmen gerecht wird. Allerdings vermittelt der von Professor Knut Bleicher weiterentwickelte St. Galler Ansatz bewusst keine Rezepte oder einfache Patentlösungen. Vielmehr bietet er einen Gestaltungsrahmen, ein «Leerstellengerüst für Sinnvolles» (nach Ulrich), mit dem Führungskräfte dank besserer Kenntnis der Gesamtzusammenhänge Probleme selbst identifizieren und mögliche Lösungen finden können.
Dazu werden dem praktizierenden erfahrenen Manager mittels eines spezifischen Bezugsrahmens und einem darauf abgestimmten Vorgehenskonzept wesentliche Denkanstösse und Instrumente an die Hand gegeben, die es ihm ermöglichen, das ganzheitliche St. Galler Gedankengut auf das eigene Unternehmen bzw. spezifische Problemstellungen zu übertragen. Daraus resultieren Antworten und Kernaussagen zur Bewältigung des sich vollziehenden Wandels.
Das St. Galler Konzept von Professor Bleicher ist seit 1991 in mehrfach überarbeitet und in neun Auflagen erschienen. Die achte Auflage (2011) wurde im Hinblick auf Praxiserfordernis durch ein umfassendes zusätzliches Kapitel zur Umsetzung des Konzepts in die Praxis ergänzt. Dabei sind die umfangreichen Beratungserfahrungen von Christian Abegglen und Kollegen eingeflossen.
Die 9. Auflage zum 25jährigen Jubiläum ist im Juli 2017 erschienen und wurde von Christian Abegglen überarbeitet und ergänzt (im Campus Verlag). Die aktualisierte Auflage führt den Leser jetzt mit dem St. Galler Wissensnavigator von Christian Abegglen beim Nachschlagen, Querlesen und Umsetzen von der Theorie hin zur Praxis der integrierten Unternehmensentwicklung.
Die 10. Auflage zum 30jährigen Jubiläum ist im Herbst 2021 erschienen. Christian Abegglen hat sich bereit erklärt, im Rahmen der St.Galler Gesellschaft für Integriertes Management Knut Bleichers Lebenswerk fortzuführen und praxisnah zusammen mit vielen Praxispartner und Wissenschaftern der St.Galler Schule weiterzuentwickeln. Das hochkomplexe Wissen wird mit dem bekannten St. Galler Denk- und Wissensnavigator und dem St. Galler Management HAUS von Christian Abegglen in direkt anwendbares Wissen und Umsetzungsmodule transformiert. Damit können Strategieprojekte auf einfache Weise nach bewährten agilen Methoden aufgesetzt werden. Unternehmen zu optimieren, anzupassen oder gar “neu zu erfinden” wird damit stark vereinfacht. Die lesernahe Struktur vermittelt konkretes To do und zeigt, wie Change, Corporate Dynamics, konkret, Unternehmensentwicklung, funktioniert.
Jetzt mit St.Galler Startpaket
Mittelständer und Weltkonzerne: Sie profitieren vom Wissensfundus von Wissenschaftern und Praktiker aus dem Umfeld der St. Galler Schule – in der 10. Auflage erweitert. Exklusiv für Leser dieses Buches stehen:
Arbeitspapiere
Schautafeln
Roadmaps
Anleitungen und Tipps digital bereit
Das Werk hat sich einen bleibenden Platz in der Managementliteratur geschaffen. Auch wenn gegenwärtig gerade in den Weiterentwicklungen des ursprünglichen St. Galler Modells zunehmend ethische Aspekte im Sinne eines Corporate Citizenship und vor allem stärker prozessoptimierende Überlegungen flankierend in den Fokus wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Forschungsaktivitäten gelangen, so bildet das Bleichersche Konzept eines «Integrierten Management» doch nach wie vor die zentrale Säule des St. Galler Managementverständnisses. Bewusst wird mit diesem integrierten Ansatz auch ein deutlicher Gegenpol zum speziell im angloamerikanischen Raum häufig zu beobachtenden, eher eindimensionalen Managementdenken gesetzt.
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“Das Konzept Integriertes Management”
Knut Bleicher, Christian Abegglen
Campus-Verlag, Frankfurt/New York
9. Auflage, Juli 2017
10. Auflage, Nov. 2020